„Wir wollen Lust auf Forschung machen“ – Ein Interview zum neuen Themenportal der Max Weber Stiftung
Im Herbst 2022 hat die Max Weber Stiftung (MWS) ihr digitales Themenportal publiziert. Wir sprachen mit MWS-Präsident Hans van Ess, Geschäftsführer Harald Rosenbach und Referentin Johanna Beamish darüber, was das neue Portal bietet, an wen es sich richtet und wie es zu einem Erfolg werden kann.
Pünktlich zu ihrem 20-jährigen Jubiläum hat die MWS ein digitales Themenportal lanciert. Was erwartet die Leserinnen und Leser dort?
Hans van Ess: Das Themenportal ist ein niedrigschwelliges Angebot, sich einen Überblick über geisteswissenschaftliche Forschung im Ausland zu verschaffen – die Kernaufgabe unserer Institute. Da sich im Themenportal keine wissenschaftlichen Artikel, sondern ansprechende Texte zu aktuellen Forschungsprojekten finden, ist es ein Beitrag für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Das Themenportal zeigt unter anderem, welchen Beitrag die historischen Wissenschaften zur Bearbeitung aktueller Herausforderungen leisten können. Bestimmte Probleme heutiger Gesellschaften lassen sich ohne Kenntnisse von historischen Entwicklungen nicht verstehen.
An wen richtet sich das Themenportal der MWS? Für wen haben Sie dieses neue Angebot geschaffen?
Harald Rosenbach: Das Kommunizieren von wissenschaftlichen Ergebnissen spielt eine immer größere Rolle. Dabei setzen wir auf unsere Stärken: Die Pflege wissenschaftlicher Infrastruktur im Ausland ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal unserer Stiftung. Den damit verbundenen Mehrwert des „Forschens vor Ort“ wollen wir für eine breite und interessierte Öffentlichkeit aufbereiten. Damit wollen wir auch die Aufmerksamkeit von denen gewinnen, die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung bislang weniger verfolgt haben.
Zugleich wollen wir unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine Plattform geben, auf der sie sich in Deutschland einer größeren, interessierten Öffentlichkeit zeigen können. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass die Zusammenschau von Forschungen aus unterschiedlichen Ländern neue Fragen und Forschungsperspektiven inspiriert.
Welche Rolle spielt das Themenportal für die MWS selbst? Warum war jetzt der richtige Zeitpunkt, dieses Großprojekt anzugehen?
Hans van Ess: Die Institute der MWS sind in den letzten Jahren enger zusammengewachsen. Neue standortübergreifende Projekte wie „Wissen entgrenzen“ (2019–2022) oder „Europas Gegenbewegungen“ (2021–2024), in denen mehrere unserer Institute ein gemeinsames Thema bearbeiten, bezeugen diese Entwicklung. Das Themenportal macht das Zusammenwachsen der Stiftung und die stärkere Vernetzung unserer Standorte über gemeinsame Schwerpunktthemen nun auch nach außen sichtbar.

Es gibt bereits zahlreiche digitale Angebote zur geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung, außerhalb der MWS, aber auch innerhalb. Wie unterscheidet sich das neue Themenportal von den bestehenden digitalen Angeboten? Wo ergänzt es diese und füllt Lücken?
Johanna Beamish: Die MWS hat schon früh auf digitale Angebote gesetzt. Sie bietet mit perspectivia.net und de.hypotheses bereits zwei wichtige Plattformen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, auf denen sie Open Access publizieren bzw. wissenschaftlich bloggen können. Das neue Themenportal bietet nun kurze, ansprechende Artikel zu aktuellen Forschungsprojekten im Ausland und ist somit interessant für jede Person, die beispielsweise auch gerne den Kulturteil einer Zeitung liest. Das Themenportal bietet einen guten Einstieg in die bereits bestehenden digitalen Inhalte der MWS. Darüber hinaus versammelt das Themenportal zum ersten Mal die Forschung aller unserer Institute im Ausland, gebündelt an einem einzigen (digitalen) Ort. Verschiedene regionale und disziplinäre Perspektiven auf zentrale Themen wie zum Beispiel „Kulturelles Erbe“ werden so sichtbar und können zu einem besseren Verständnis für globale Zusammenhänge beitragen.
Können Sie uns schon erste Einblicke geben? Welche Beispielbeiträge waren Ihre persönlichen Highlights?
Johanna Beamish: Der allererste Beitrag, der für das Themenportal einging, kam aus dem Deutschen Historischen Institut in Rom. Christian Neumann arbeitet dort zu alten Herrschern im Mittelalter, und obwohl ich selbst wenig Bezug zur mittelalterlichen Forschung habe, hat er seine Arbeit in dem Beitrag so ansprechend beschrieben, dass man noch mehr dazu lesen möchte. Da hatte ich das erste Mal den Eindruck: Das Themenportal wird wirklich spannend! Ein anderes persönliches Highlight war der Beitrag von Carolin Liebisch-Gümüş vom Deutschen Historischen Institut Washington. Sie ist eine ehemalige Kommilitonin von mir und arbeitet unter anderem zu Flughäfen als Orte des Transits. Da ich in meiner Dissertation ebenfalls zu Transiterfahrung, wenn auch auf Schiffen im 19. Jahrhundert, geforscht habe, war das natürlich inhaltlich interessant für mich.
Wann wird für Sie das Themenportal zu einer Erfolgsgeschichte, sodass Sie sagen können: damit haben wir wirklich etwas erreicht?
Harald Rosenbach: Die kurze Antwort ist: Wir wollen einfach Lust auf Forschung machen. Die etwas längere: An unseren Instituten werden ungemein spannende Projekte und Langzeitunternehmen durchgeführt. Wir würden uns freuen, wenn wir damit die Neugier all jener, die sich für Geistes- und Sozialwissenschaften im Allgemeinen und im internationalen Zusammenhang im Besonderen interessieren, auf unsere Plattform lenken können. Und wenn dann noch die Menschen, die hinter diesen Forschungen stehen, sichtbar werden, dann haben wir ein wichtiges Ziel erreicht. Das Themenportal wird eine Erfolgsgeschichte, wenn es genutzt und nachgefragt wird.
Besuchen Sie das Themenportal der MWS unter www.maxweberstiftung.de/themenportal.

Hans van Ess ist seit 2015 Präsident der Max Weber Stiftung. Darüber hinaus hat er einen Lehrstuhl für Sinologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er seit 2013 auch Vizepräsident für die Bereiche Internationales bzw. Forschung ist.
Harald Rosenbach war nach Stationen am Institut für Zeitgeschichte und der Alexander von Humboldt-Stiftung von 2004 bis 2009 Leiter der Geschäftsstelle der Max Weber Stiftung und ist seither ihr Geschäftsführer.


Johanna Beamish Referentin für Kommunikation bei der Max Weber Stiftung und schwerpunktmäßig zuständig für standortübergreifende Projekte. Seit 2021 ist sie außerdem für das MWS-Themenportal verantwortlich.
OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Max Weber Stiftung (6. Januar 2023). „Wir wollen Lust auf Forschung machen“ – Ein Interview zum neuen Themenportal der Max Weber Stiftung. [gab_log] Geisteswissenschaft als Beruf. Abgerufen am 19. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/owra